Auf der Handelsplattform der Berner Kantonalbank erzielten im ersten Semester zwei
Bieler Unternehmen schöne Kursgewinne: das Privatspital Linde und der Edelmetallverarbeiter Cendres + Métaux.
«Pflücket die Rose, eh sie verblüht.» Das mag sich manch ein Investor betreffend die Versandapotheke Zur Rose gesagt haben. Der Kurs verdoppelte
sich seit Anfang Jahr, vervierfachte sich innerhalb eines Jahres.
Es war der angekündigte Börsengang, der für Fantasie sorgte. Bisher wurden ihre Aktien ausserbörslich gehandelt – so etwa auf der OTC-X, der Handelsplattform der
Berner Kantonalbank (BEKB).
Dort sorgte die Versandapotheke mit Hauptsitz Frauenfeld im abgelaufenen Semester für den mit Abstand grössten Umsatz: 41 Millionen Franken sind es gewesen, knapp
30 Prozent des gesamten Umsatzes von 141,2 Millionen Franken.
Auf Rekordkurs
Damit wurde der letztjährige Jahresumsatz bereits übertroffen. Doch der Jahrgang, den es zu schlagen gilt, liegt zehn Jahre zurück: 2007 erzielte die OTC-X einen
Umsatz von 219 Millionen Franken. Dabei entfielen 80 Millionen auf HBM Bioventure, deren Aktien im Vorfeld des Börsengangs –ähnlich wie jetzt bei Zur Rose –stark gesucht
waren.
Neben der Versandapotheke wird mit der Linde Holding in Biel ein weiteres Unternehmen der Gesundheitsbranche vom Börsentableau der OTC-X
verschwinden. Schon lange ging das Gerücht um, Aevis-Victoria sei hinter der Linde her. «Die Privatklinik Linde könnte ein nächstes Übernahmeopfer sein», schrieb das
Internetportal Medinside am 18. April 2017. Der Kurs lag damals bei 1600 Franken.
Exakt einen Monat später bot Aevis-Victoria 2500 Franken pro Aktie. Doch Aevis-Chef Antoine Hubert machte die Rechnung ohne Hirslanden, eine hundertprozentige
Tochtergesellschaft von Mediclinic International aus Südafrika. Sie bot 3100 Franken.
Zweimal ist Antoine Hubert innert weniger Wochen bei seinem Übernahmeversuch überboten worden. Anfang Jahr verkündete Hubert, er wolle die Zuger
Lifewatch integrieren und Telemedizin zum zweitgrössten Standbein hinter der Klinikkette Swiss Medical Network aufbauen. Er wurde aber von der amerikanischen Biotelemetry
ausgebremst. Am Freitag erklärte Lifewatch-Chef Stefan Rietiker an einem Medienlunch in Zürich, dass Biotelemetry per 28. Juni 96,50 Prozent der Stimmrechte besitzt.
Mit Cendres + Métaux sorgte an der OTC-X ein weiteres Bieler Unternehmen für schöne Umsätze: 1,25 Millionen Franken sind es bisher; mehr als im
gesamten 2016. Fritz Ruprecht ist Inhaber der Helvetic Star Effekten in Ittigen. Im Oktober 2015 sagte er in dieser Zeitung: «Die Aktie ist mittlerweile sehr günstig, wenn man bedenkt, was für
Produktivitätsfortschritte die Firma zu verzeichnen vermochte.» Der Geldkurs lag damals bei 6400 Franken. Ende 2016 lag er noch tiefer, stieg aber seither um fast 50 Prozent. Geduld bringt
Rosen.
Wegen der relativ geringen Liquidität auf dem OTC-Markt sind zweistellige Prozentveränderungen keine Seltenheit. Bemerkenswert sind daher vor allem die grossen
Umsatzsteigerungen. Mit den Aktien der Kongress- und Kursaal Bern und jenen von Weiss + Appetito setzte die OTC-X im ersten Halbjahr 2017 doppelt so viel um wie
im ganzen Jahr 2016; mit den Dividendenpapieren der Congress Centre Kursaal Interlaken sogar dreimal so viel und mit den Aktien der SB Saanen Bank viermal
mehr.
Bei der Saanen-Bank gibt es für den Umsatzsprung eine nachvollziehbaren Erklärung: «Wir haben uns entschieden, den gesamten Handel unserer Aktie
über die OTC-Plattform abzuwickeln», erklärt Bankdirektor Jürg von Allmen. Die Bank will damit eine höhere Transparenz schaffen, indem jede Transaktion auf der OTC-X einsehbar ist.
Wie aber sind die hohen Kursgewinne von Bernexpo, Congress Centre Kursaal Interlaken oder der Berner Baufirma
Weiss+Appetito zu erklären? Nebenwertespezialist Björn Zern von Zern & Partner in Bern weist darauf hin, dass im Unterschied zu börsenkotierten Aktien der gleichen Branche
etliche OTC-Titel deutlich unter dem Buchwert gehandelt werden. Zudem weisen sie oft eine höhere Dividendenrendite aus. Das treffe etwa bei der Bernexpo Holding im Vergleich zur MCH Messe Schweiz
zu.
Da die börsenkotierten Aktien zum Teil recht teuer sind, richten mehr und mehr Anlegerinnen und Anleger ihr Augenmerk auf den ausserbörslichen Handel. Das führt zu
höheren Volumen und mitunter auch zu höheren Geldkursen.
Erschienen in der BZ am 4. Jui 2017