«Wir wollen für Ärzte einen Anreiz schaffen, Patienten ambulant zu behandeln», sagt Strüwe,. «Primeo ist ein neuartiges Produkt». Es brauche eine gewisse Zeit, bis es sich etablieren kann.
«Doch mittelfristig wird sich Primeo durchsetzen», ist Strüwe überzeugt.
Ärzte denken stationär
Spitäler und Ärzte haben offenbar nicht auf das neuartige Produkt gewartet: «Viele Ärzte sind immer noch in der stationären Welt behaftet», beobachtet Stüwe. Eine Einschätzung, die unter
Experten als unumstritten gilt. Zudem sind in Spitälern die Prozesse so eingespielt, dass das Handling von Primeo-Kunden nicht immer einfach ist. Primeo-Kunden haben unter anderem Anspruch auf
ein Einzelzimmer zur Erholung nach der Operation – samt TV, Radio, Internetzugang. Auch ein kostenloser Parkplatz und die Taxifahrt nach Hause sind im Leistungspaket enthalten. Dafür zahlt
man zwischen 17 und 74 Franken; je nach Alter. Hat man zusätzlich noch eine Spitalkostenzusatzversicherung, so gibts Rabatt.
Eingespielte Prozesse
«Alles, was von eingespielten Prozessen abweicht, ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden», erklärt Peter Fischer. Er ist Direktor der Klinik Hohmad in Thun und war bis Mitte 2012 Direktor
der Krankenkasse Visana. Er kennt beide Seiten aus eigener Erfahrung.
Geholfen hätte wohl, wenn die Konkurrenz nachgezogen hätte. Davon ist jedoch nichts zu sehen. «Der Markt bestimmt die Regel», sagt Mario Righini von der CSS. Er sieht derzeit weder seitens
der Versicherten noch seitens der Spitäler und Ärzten einen Bedarf nach einem vergleichbaren Produkt. Righini bezweifelt, dass Zusatzhonorare für Ärzte im ambulanten Bereich der richtige Weg sei.
Er erinnert daran, dass mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) die früher gängigen Zusatzhonorare bewusst abgeschafft wurden. Mit Produkten, bei welchen Ärzte für
ambulante Eingriffe ein Zusatzhonorar generierten, werde der Tarmed ausgehebelt.
Ewiger Lebenszyklus
Reymond Bührig von Atupri gibt zudem zu bedenken, dass Zusatzversicherungsprodukte einen ewigen Lebenszyklus haben. Ist es von der Finanzmarktaufsicht genehmigt worden, kann man es später
nicht einfach aus dem Sortiment nehmen, falls es sich nicht bewährt.
Felix Schneuwly gehhört zu jenen, die für solche Produkte eine Zukunft sehen. Nur müssten sie anders daher kommen: «Der medizinische Mehrwert ist mir bei Primeo zu wenig klar», sagt
der Krankenkassen-Experte von Comparis. «Ich habe in der Grundversicherung schon heute eine freie Arztwahl, sofern ich mich nicht für ein Sparmodell entschieden habe».
Schliesslich muss man sich fragen, ob Halbprivat- und Privatversicherte nicht einen Anspruch haben, von ihrer Spitalkostenzusatzversicherung zu profitieren, falls die Operation dank des
technologischen Fortschritts ambulant durchgeführt werden kann. Davon will Wolfram Strüwe partout nichts wissen. «Die Spitalkostenzusatzversicherungen sind ganz klar für stationäre Behandlungen.
Für ambulante Eingriffe gibt’s eben Primeo».
Erschienen in der BZ am 18. März 2017