Kaum gabs am Wahlergebnis nichts mehr zu rütteln, korrigierte der bekennende Demokrat Paul Krugman sein Urteil. «In der entsetzlichen Wahlnacht habe ich noch
eine Rezession vorausgesagt, diese Einschätzung aber sofort widerrufen», gestand er in der «New York Times». Man dürfe nicht erstaunt sein, wenn sich das Wirtschaftswachstum für ein paar
Jahre beschleunige. Doch was kurzfristig funktioniere, könne langfristig einen grossen Schaden anrichten. «Die Konsequenzen werden langfristig apokalyptisch sein.» Paul Krugman denkt an
ökologische Folgen oder an den drohenden Protektionismus, der das globale Wirtschaftswachstum beeinträchtige, was in ein paar Jahren auf die Vereinigten Staaten zurückschlagen werde.
Paul Krugman muss es wissen: Den Nobelpreis gewann er im Jahr 2008 für seine Forschungsarbeit in der internationalen Handelstheorie. Interessant ist aber, dass
Krugman im vergangenen September in der «NZZ am Sonntag» erklärte, dass in der Debatte über den internationalen Handel von beiden Seiten übertrieben werde. «Die Vorteile sind nicht so
gewaltig wie vielfach dargestellt.»
«Wie kommt es, dass Anleger im Vorfeld der US-Wahlen über Trump besorgt sind, dann über Nacht ihre Meinung ändern und den neuen Präsidenten beklatschen?» Diese
Frage stellte die «Finanz + Wirtschaft» am 24. Dezember in einem Börsenpanel. Die Antwort von Christophe Bernard, Vontobels Chefstratege: «Ein gewisser Wandel war schon seit Sommer in Gang.»
Erstmals seit langem seien die Prognosen für das amerikanische Wirtschaftswachstum nicht nach unten, sondern nach oben revidiert worden, begründet der Chefstratege den plötzlichen Optimismus.
Was indes nicht erklärt, weshalb der Meinungsumschwung quasi über Nacht erfolgte.
Ein anderer, häufig gehörter Erklärungsversuch lautet, dass Donald Trump einige seiner Wahlversprechen relativiert habe. Womit sich die Frage stellt, ob man
wirklich davon ausgehen kann, dass Wahlkampfversprechen eines Immobilienspekulanten und Pleitegeiers auch wirklich umgesetzt würden.
Die Experten sind die Verlierer des Finanzjahres 2016
Eine glaubwürdige Erklärung für das Versagen der Ökonomen liest man dafür in einem Kommentar der NZZ vom Mittwoch. Für den Kommentator gehören die Experten zu
den Verlierern des Finanzjahres 2016. Sie hätten nicht nur zwei politische Überraschungen verpasst, den Brexit und Donald Trump, viel schlimmer noch, «sie haben auch die Konsequenzen dieser
Entscheidungen für die Kurse an den Finanzmärkten völlig falsch vorausgesagt». Das Versagen zeige, dass Sorgfalt und Objektivität der Analyse einen Tiefpunkt erreichten. Viele Analytiker
hätten den Kardinalfehler begangen, ihre politische Sichtweise mit der Analyse zu vermischen. «Wer gegen Trump war, hat sich nicht gescheut, öffentlich vor einem Kursfiasko an der Börse zu
warnen.»
Dies trifft unter anderem auch auf den bereits zitierten Nobelpreisträger zu. Er selber, Paul Krugman, liefert noch eine andere mögliche Erklärung, die er
allerdings schon vor der Präsidentschaftswahl äusserte. In dem erwähnten NZZ-Interview von Mitte September sagte er: «Wer nie falsch liegt, geht nicht genug intellektuelle Risiken
ein.»
Erschienen in der BZ am 31. Dezember 2016