Wer im Alter den Job verliert und keine neue Stelle mehr findet, kann nicht auf eine lebenslange Rente der Pensionskasse hoffen. Man muss das Kapital beziehen. Das könnte sich ändern. Eine echte Besserung der Situation ist trotzdem nicht zu erwarten.
Da arbeitet man ein halbes Leben lang und geht mit gutem Grund davon aus, im Alter von der Pensionskasse eine Rente zu erhalten. Verliert man aber gegen Ende 50 den Job, ohne wieder eine Anstellung zu finden, so kann man die Rente vergessen. Das Geld wird auf ein Freizügigkeitskonto überwiesen. Dieses Geld kann man nicht in Form einer lebenslänglichen Rente beziehen, wie das Versicherte der zweiten Säule tun können. Nein, man muss das Kapital beziehen. Banken zahlen keine Rente.
Das Verzehren von Kapital ist nicht jedermanns Sache
Was tun mit dem vielen Geld? Auf die hohe Kante legen und nach und nach verzehren. Doch das Verzehren von angespartem Vermögen ist nicht jedermanns Sache. Seit jeher ist man sich gewohnt, Geld auf die Seite zu legen. Plötzlich soll man zusehen, wie das angehäufte Vermögen zusehends schmilzt. Besser schläft sich, wenn das garantierte Renteneinkommen aus der ersten und der zweiten Säule das Existenzminimum zu decken vermag.
Deshalb will der Bundesrat mit seinem umfassenden Reformpaket Altersvorsorge 2020 die Voraussetzung schaffen, Besitzern eines Freizügigkeitsguthabens eine lebenslängliche Rente zu ermöglichen. Im Gesetzesvorschlag steht: «Die Auffangeinrichtung richtet das Freizügigkeitsguthaben einer Person auf deren Gesuch hin als lebenslängliche Rente aus».
Max Meili, der inzwischen abgetretene Chef der Auffangeinrichtung, warnte aber vor zu hohen Erwartungen. Das Geld könne nicht mit dem gesetzlichen Umwandlungssatz in eine Rente umgewandelt werden, sagte er. Er rechnete mit einem Umwandlungssatz von rund 4,5 Prozent. Auf einem Kapital von 100 000 Franken gäbe es also jährlich 4500 Franken. Ein Klacks im Vergleich zu den 6800 Franken, die man mit dem heute noch gültigen Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent auf dem obligatorischen Guthaben erhält.
Was viele nicht wissen: Schon heute besteht die Möglichkeit, sich bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess bei der Auffangeinrichtung weiter versichern zu lassen. Doch kaum jemand macht von diesem Angebot Gebrauch. Gerademal 506 Personen waren per Ende 2015 bei der Auffangeinrichtung als weiterversicherte Personen registriert. In diesem Fall muss man im Rahmen des gesetzlichen Obligatoriums die Arbeitnehmer- wie auch die Arbeitgeberbeiträge entrichten. Wobei die Antragsunterlagen spätestens 90 Tage nach dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG eingetroffen sein müssen.
Für Entlassene soll eine Sonderlösung gelten
Der Ständerat brachte noch eine weitere Lösung aufs Tapet: Er will, dass man bei der Pensionskasse versichert bleiben kann, falls man nach Vollendung des 58. Altersjahres entlassen wird. Die entlassene Person muss dann nur noch Beiträge zur Deckung der Risiken Tod und Invalidität sowie einen Beitrag an die Verwaltungskosten beisteuern. Auf Wunsch soll sogar die Möglichkeit bestehen, mit freiwilligen Einkäufen die Altersvorsorge zu verbessern.
Selbstverständlich könnte man mit dem Kapital der zweiten Säule eine private Rentenversicherung abschliessen. Doch die Leibrenten waren nie sonderlich lukrativ und sind es heute wegen der tiefen Zinsen erst recht nicht. Auch für die Versicherungsgesellschaften sind diese Produkte derart unattraktiv geworden, dass einige davon, etwa die deutsche Allianz, ihre Rentenangebote aus dem Sortiment genommen haben.
Angenommen, auf dem Freizügigkeitskonto der Bank liegen 300 000 Franken. Überweist man dieses der Auffangeinrichtung, um in den Genuss einer lebenslänglichen Rente zu kommen, so gäbe das bei einem Umwandlungssatz von 4,5 Prozent 13 500 Franken pro Jahr, 1125 Franken pro Monat. Das ist mehr, als man von Versicherungsgesellschaften erwarten darf (siehe Tabelle).
Schwieriger Vergleich mit Rentenversicherungen
Vier Punkte gilt es bei diesem Vergleich zu beachten:
Statt das Freizügigkeitsguthaben der Auffangeinrichtung zu überweisen oder eine private Rentenversicherung abzuschliessen, könnte man das Geld — wie gesagt — verzehren. Man bezieht die 300 000 Franken, zahlt die Sondersteuer von rund 21 000 Franken und verbraucht von den verbleibenden 279 000 Franken Jahr für Jahr 10 000 Franken. Das Geld reichte 28 Jahre, bis Alter 93. Zudem ist der Kapitalverzehr erst noch steuerfrei. Und falls an der Zinsfront dereinst wieder normale Zeiten einkehren, gibts für das angelegte Geld erst noch einen Zins. Das Ganze hat einen Haken, wie bereits gesagt wurde: Das Verzehren von Kapital ist nicht jedermanns Sache. Manchem ist das Wohlbefinden wichtiger als die Rendite.
Das Angebot an Rentenversicherungen ist stark ausgedünnt worden. Beim Internetvergleichsdienst Info4insider aus Gümligen sind nur noch fünf Anbieter aufgeführt, die das sogenannte Langleberisiko versichern. Die besten Konditionen bietet derzeit die Basler an. Kauft ein 65-jähriger Mann für 300 000 Franken eine sofort beginnende Leibrentenversicherung, so erhält er bei der Basler jährlich garantierte 11 156 Franken. Das entspricht einem Umwandlungssatz von gerade mal 3,72 Prozent. Die 64-jährige Frau muss sich dagegen fürs gleiche Geld mit 9965 Franken begnügen. Möglicherweise kommen noch Überschüsse von gut 1000 Franken hinzu. Sie sind aber nicht garantiert, sodass man lieber gar nicht damit rechnet.
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In der politischen Debatte war die Ausrichtung des Freizügigkeitsguthabens als Rente bisher kein Thema. Angesichts der Dichte und der Brisanz des Reformprojekts ist das keine Überraschung. Wer sich in der Vernehmlassung dazu äusserte, tat dies wohlwollend. Die Kantone Basel-Stadt, Graubünden und Zug sind der Ansicht, dass jeder Ausbau der zweiten Säule eine der besten Chancen dafür ist, später unnötige steuerfinanzierte Ergänzungs-leistungen zu verhindern. Bern und Zürich hatten sich zu diesem Punkt nicht geäussert.
Dies tat aber logischerweise die direkt betroffene Auffangeinrichtung. Sie will die
Aufgabe übernehmen, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie wie vorgesehen die technischen Grundlagen selber festlegen kann. Und die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe findet, es sei eine «wenig beachtete, aber für Armutsbetroffene sehr wichtige Neuerung». Und weiter: «Diese Möglichkeit des kontrollierten und lebenslang gesicherten Bezugs von Leistungen der beruflichen Vorsorge hat für finanziell schlechtergestellte Personen eine armutsverhindernde Wirkung und ist dem bisher einzig möglichen reinen Kapitalbezug vorzuziehen».
Erschienen in der BZ am 9. August 2016