Wir müssen uns etwa die Frage gefallen lassen, weshalb wir nur Anlageexperten von Regionalbanken zu Wort kommen liessen. Dabei hätten doch die beiden Grossbanken auch in Bern ausgewiesene Experten und würden grössere Kundenportefeuilles betreuen als Regionalbanken.
Die Frage ist berechtigt. Das Problem liegt darin, dass Interviews mit Vertretern der Grossbanken nur in Absprache mit der Kommunikationsabteilung in Zürich stattfinden dürfen. Dabei schrecken die Kommunikationsfachleute nicht davor zurück, die Antworten nach ihrem Gusto abzuändern, obschon sie dem Interview gar nicht beiwohnten. Vor langer Zeit ist mir einmal passiert, dass ich mit dem Chef Private Banking der Stadtberner Filiale einer Grossbank ein Interview führte, in welchem er Aktientipps zum Besten gab. Als Tipp nannte er unter anderen die «Zürich». Ich gab das Kurzinterview zum Gegenlesen, wie das der Gepflogenheit entspricht, worauf bei der abgesegneten Version die Zürich» durch «Swiss Re» ersetzt wurde. Der Chef Private Banking erklärte mir darauf am Telefon, er würde seinenKunden sehr wohl «Zürich» empfehlen, doch das Headoffice habe ihm gesagt, im Interview müsse «Swiss Re» erscheinen. Das Interview habe ich dann selbstverständlich nicht publiziert.
Es geht um Macht. Gewisse - beileibe nicht alle - Mediensprecher fühlen sich in ihrem Ego gekränkt, wennn ein Zitat ohne ihr Plazet den Weg in die Zeitungsspalte findet. Sie nehmen sich mitunter
wahnsinnig wichtig. Letzte Woche konnten wir wieder so eine Machtdemonstration erleben. Der Autor eines Artikels über Hypotheken hatte das Zitat der UBS etwas zugespitzt. An der Aussage änderte
sich jedoch nichts. Im Stil eines Oberbefehlhabers verlangte eine gewisse Ursula Dober sofort und dringend eine Korrektur. Wir taten das in der Online-Ausgabe. Schliesslich werden die Artikel
dort häufig auch Tage und Wochen nach deren Publikation noch gelesen.
Doch in der Printausgabe wollten wir von dieser Korrektur nichts wissen. Der Leser hat keinen Nutzen, wenn Tage nach der Publikation das Originalzitat dem Zugespitzten gegenübergestellt wird. Man
müsste die ganze Geschichte nochmals erzählen, damit der Leser weiss, um was es überhaupt geht. Zudem war ja die Differenz unerheblich.
Wie gesagt: Es geht um Macht. Im gefühlten Stundentakt velangte Ursula Dober dringend und sofort eine Richtigstellung auch in der Printausgabe, was in der Tat nur eine Umformulierung war. Wir
taten es. Die Mediensprecherin hat das Machtspiel für sich entschieden. Der Erfolg ist ihr zu gönnen. Gewiss doch, der Lesernutzen dieser Geschichte ist gering. Deshalb verzichten wir auf die
Publikation in der gedruckten Ausgabe. Aber immerhin ist der Nutzen noch grösser als eine nichtssagende Berichtigung.
Erschienen auf BZ-Online am 15. November 2015
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