Vertriebschef Thomas Trachsler erklärt, weshalb die Mobiliar die Kunden nicht belohnt, welche einen Crash-Rekorder einbauen. Nach seiner Einschätzung könnte sich die Prämiengestaltung in Zukunft markant verändern.
Herr Trachsler, warum gewährt die Mobiliar keinen Rabatt, wenn ein Kunde einen Crash-Rekorder einbauen lässt?
Thomas Trachsler: Prävention ist immer gut, und der Crash-Rekorder ist auch eine Form von Prävention. Er zeichnet auf, wie ein Schaden passiert ist. Wir gehen einen anderen Weg: Wir wollen Kunden
belohnen, namentlich die Jugendlichen, die Fahrsicherheitstrainings absolvieren. Wir machen Prävention, indem wir die Ausbildung fördern.
Wie sieht die Belohnung aus?
Wir gewähren einen Prämienrabatt von 5 Prozent für Personenwagen und 10 Prozent für Motorräder. Zudem bezahlen wir ein Fahrsicherheitstraining
im Wert von 200 Franken.
Wie viele der Jugendlichen profitieren von diesem Angebot?
Der überwiegende Teil, ich schätze, es sind zwischen 70 und 80 Prozent, die sich dafür interessieren.
Das hindert die Mobiliar nicht daran, auch den Einbau von Crash-Rekordern zu rabattieren.
Der Crash-Rekorder ist für uns zu isoliert. Er zeichnet die 20 Sekunden vor dem Crash auf, sagt aber nichts über das gesamte Fahrverhalten.
Axa sagt, Junglenker mit Crash-Rekordern würden um 13 Prozent weniger Schadenaufwendungen verursachen als ihre Alterskollegen ohne Crash-Rekorder.
Ich kann das nicht
kommentieren. Ich kenne die Zahlen nicht im Detail.
Der Crash-Rekorder soll angeblich die Abwicklung von Schadenfällen vereinfachen.
Das sehe ich nicht. Der Crash-Rekorder kommt nur bei gröberen Unfällen zum Tragen, bei welchen die Polizei für die Tatbestandaufnahme zuständig ist. Ich gehe nicht davon aus, dass die Dauer der Schadenerledigung für einen Versicherer wegen des Crash-Rekorders verkürzt wird.
Man spürt eine gewisse Zurückhaltung.
Wie gesagt: Der Crash-Rekorder sagt nichts über das gesamte Fahrverhalten. Zudem spüren wir vonseiten unserer Kundschaft überhaupt keinen Bedarf.
Mehr über das Fahrverhalten sagt der Fahrtenschreiber. Gewähren Sie Rabatte, wenn ein Kunde einen Fahrtenschreiber einbauen lässt?
Rabattitis führt nicht zu loyalen Kunden. Zudem braucht man keinen Fahrtenschreiber, um das Fahrverhalten zu messen. Man kann auch die entsprechende Software aufs iPhone laden. Wir machen nun
erste Tests mit Mitarbeitenden. Wir evaluieren, ob das überhaupt funktioniert und ob wir solche Daten erheben und allenfalls für die Preisgestaltung benützen wollen.
Die Mobiliar würde damit in der Preisgestaltung neue Wege einschlagen.
Das ist nicht unser primäres Ziel. Wir müssen in der Autoversicherung nicht der Treiber sein, etwa im Unterschied zur Elementarschaden- oder der Hausratsversicherung, welche im Gegensatz zur
Autoversicherung auch lokale Eigenheiten aufweisen.
Die Mobiliar ist doch einer der führenden Autoversicherer in der Schweiz.
In der Schweiz sind wir nach Axa und Zürich die Nummer drei. Wir verfügen bei den internationalen Autokonzernen aber nicht über die gleiche Einkaufsmacht bei den Verhandlungen über
Ersatzteilpreise wie die Allianz, die Axa oder die Zürich. In der Autoversicherung müssen wir bloss wissen, wie sich der Markt verändert und wie wir uns darauf einstellen wollen.
Das heisst, Sie warten ab, was auf Sie zukommt, statt selber zu agieren?
Der Markt der Autoversicherung ist enorm in Bewegung. Es wird sehr viel passieren, besonders was das Pricing, also die Prämiengestaltung betrifft. Wir verfolgen den Markt sehr aufmerksam. Deshalb ist es für uns nicht zielführend, gewissermassen als Marketinggag auf den Crash-Rekorder oder den Fahrtenschreiber zu setzen, wenn sich die Preisgestaltung so oder so verändern wird.
Denken Sie ans angelsächsische Modell «Pay as you drive»?
Die Entwicklung könnte in diese Richtung gehen. In England gibt es Modelle, bei denen junge Lenker im Voraus eine
prohibitiv hohe Prämie zahlen. Dann wird via GPS gemessen, wann, wie häufig und wo der Fahrzeughalter mit dem Wagen unterwegs war: ob vorwiegend nachts, auf Autobahnen, bei Regen. Das führt zu
einer ausgeklügelten Prämienfestsetzung, zu einer totalen Entsolidarisierung.
Eine Entsolidarisierung haben wir in der Schweiz schon längst: Junge zahlen mehr als Alte. Männer mehr als Frauen. Tessiner mehr als Berner. Ferrari-Besitzer mehr als
Opel-Fahrer.
Ja, aber beim System «Pay as you drive» geht die Differenzierung der Prämien viel weiter. Wer nur im Stadtverkehr unterwegs ist, unterliegt dem Risiko eines kleinen Blechschadens. Wer
mehrheitlich über Land und auf Autobahnen unterwegs ist, unterliegt eher dem Risiko eines Totalschadens. Solche Risiken werden heute in der Prämie nicht abgebildet. Die heutige Prämiengestaltung
basiert auf Statistiken und ist vergangenheitsorientiert. Es zählen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Fahrzeugtyp. «Pay as you drive» ist zukunftsorientiert. Das ist ein ganz neues Denken.
Wann wird dieses System «Zahle, was du fährst» in der Schweiz Einzug halten?
Das weiss ich nicht. Das hängt auch davon ab, welche Erfahrungen Axa und Zürich in England damit machen. Zudem ist vieles noch nicht geklärt. Wer besitzt die Datenhoheit? Ist es der Autokonzern? Oder ist es die Versicherungsgesellschaft? Die Treiber hinter dem Ganzen sind nicht die Versicherungsgesellschaften, sondern Unternehmen der Informationstechnologie.
Thomas Trachsler, 1965 geboren, ist eine treue Seele: 1986 stiess der Betriebsökonom zur Mobiliar, wo er in verschiedenen Bereichen und Funktionen tätig war. 1996 wurde der im Stadtberner Länggassquartier aufgewachsene Trachsler Verkaufsleiter der Generalagentur Zürich. 1998 übernahm er die Leitung der Generalagentur Saanenland-
Erschienen in der BZ am 3. Juni 2014