Standardwerte oder Nebenwerte? Das ist die Frage. Die Bank Vontobel würde sich darob kaum den Kopf zerbrechen. «Nebenwerte», würde sie spontan sagen. Oder in der Sprache der Börsianer: Small und Mid Caps statt Large Caps.
Die Bank Vontobel machte letzte Woche auf einer Roadshow halt in Bern. Thema: Aktienmarkt Schweiz. Und vor allem Nebenwerte Schweiz, auch Small und Mid Caps genannt. In den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren erzielten die Large Caps, besser bekannt als Bluechips, meistens die höheren Renditen. 1998 hat sich aber das Blatt gewendet (siehe Grafik). Und geht es nach den Vorstellungen der Zürcher Vermögensverwaltungsbank Vontobel, dürften die Nebenwerte auch in Zukunft an der Börse die erste Geige spielen und somit für die Musik sorgen. Dafür sprechen laut Vontobel mehrere Gründe:
Dieser letzte Punkt ist eine besondere Stärke der Nebenwerte und weist auf einen Makel der Large Caps in der Schweiz hin – auf deren mangelnde Diversifikation. Die Pharmariesen Novartis und Roche
vereinen 37 Prozent der Marktkapitalisierung aller 20 Large Caps. Nestlé allein kommt auf 21 Prozent. Diese drei defensiven Titel kontrollieren somit 58 Prozent des Marktes. Zum Vergleich: Die
Swatch Group, nicht gerade ein Zwerg, kommt im Swiss-Market-Index gerade mal auf 1,8 Prozent. Das Übergewicht an defensiven Werten ist zwar gut bei einer schleppenden Konjunktur. Diversifikation
sieht aber anders aus.
Valiant: Positiv für Europa
Auch die Valiant-Bank setzt derzeit eher auf Nebenwerte denn auf Bluechips. «Wir erwarten für Europa eine konjunkturelle Erholung», erklärt Gilles Bey von der Valiant-Bank. Davon dürften die
Small und Mid Caps aus zwei Gründen stärker profitieren als die global agierenden Large Caps. Zum einen, weil die Nebenwerte stärker auf Europa fokussiert sind, zum andern, weil sich unter den
Small und Mid Caps viele zyklische Aktien befinden, welche im Unterschied zu den defensiven Werten der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie besonders stark auf Konjunkturzyklen reagieren.
BEKB warnt vor Illiquiden
Rolf Bigler von der Berner Kantonalbank (BEKB) warnt jedoch vor zu viel Enthusiasmus. Zahlreiche Small Caps sind nicht sehr liquide. «Wenn es an der Börse kracht, was sich nie ausschliessen
lässt, kann man als Fondsmanager die Bluechips einfacher abstossen als die weniger liquiden Nebenwerte.»
Vontobel: Gut für Nebenwerte
Portfoliomanager Nils Wimmersberger von der Bank Vontobel geht davon aus, dass die Aktienmärkte der kleineren und mittleren Unternehmen nicht effizient sind, wie er vergangene Woche an der
Roadshow erklärte. Das heisst, dass sich nicht alle verfügbaren Informationen in den Kursen spiegeln. Als Kenner der Szene sollte man daher in der Lage sein, eine bessere Performance zu erzielen
als der Markt insgesamt. Wimmersberger zeigte dies an folgenden Zahlen:
Mancher Beobachter wird Vontobel mit jener Bank in Verbindung bringen, bei welcher mindestens ein deutscher Fussballmanager mit Devisenspekulationen Millionen verdiente. Doch in der Schweiz hat
sich Vontobel im Verlauf der letzten Jahrzehnte mehr mit Nebenwerten als mit Devisengeschäften einen Namen gemacht. Schon 1992 kreierte sie den Vontobel-Small-Cap-Index, welcher sich aus
kleineren und mittleren Unternehmen zusammensetzt. Im gleichen Jahr lancierte sie den Aktienfonds Vontobel Swiss Small Companies, welcher sich am eigenen Index orientiert.
Fonds für Nebenwerte
Im Dreijahresvergleich hinkt der Vontobel Swiss Small Companies anderen Nebenwertefonds hinterher. Doch in den letzten zwölf Monaten hat er ziemlich aufgeholt (siehe Tabelle). Bei der Wahl eines
Nebenwertefonds ist darauf zu achten, dass der Fonds ausschliesslich in Nebenwerte investiert. Bei Aktienfonds entspricht nämlich der Inhalt nicht immer der Verpackung. Typisches Beispiel ist der
Nebenwertefonds von Black Rock. 30 Prozent seines Volumens ist in Standardwerten investiert, was nun wirklich nicht Sinn und Zweck eines Nebenwertefonds ist. Wer auf Standardwerte setzt, kauft
den entsprechenden Anlagefonds.
Die an der Schweizer Börse in Zürich gehandelten Aktien lassen sich in drei Kategorien einteilen:
Large Caps: 20 Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt 1030 Milliarden Franken. Sie vereinen 85 Prozent der Marktes auf sich. Die Kursentwicklung dieser Large
Caps, auch Standardwerte oder Bluechips genannt, spiegelt sich im Swiss-Market-Index (SMI). Deren gewichtigste Vertreter heissen Nestlé, Novartis, Roche, UBS.
Mid Caps: 80 Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von 175 Milliarden Franken. Sie machen nur 14 Prozent des Marktes aus. Dazu gehören Kuoni, Schindler, Valiant, Baloise,
Galenica.
Small Caps: 108 Gesellschaften mit einer Kapitalisierung von 25 Milliarden Franken und einer Gewichtung von 1 Prozent. Dazu zählen Jungfraubahn, Bell, Calida.
Die Small und Mid Caps werden auch Nebenwerte genannt, wobei dieser Begriff nicht einheitlich verwendet wird. Häufig versteht man unter Nebenwerten die nicht kotierten Aktien, wie sie auf der OTC-X, der Handelsplattform der BEKB, gehandelt werden. Der Kursverlauf der 208 Large, Mid und Small Caps wird im Swiss-Performance-Index (SPI) abgebildet. Dieser verläuft häufig parallel zum SMI mit den 20 Bluechips. Der Grund liegt darin, dass beide Indizes kapitalisierungsgewichtet sind und wir in der Schweiz ein paar Kolosse haben, die das Geschehen dominieren. Nestlé hat im SPI dank seiner hohen Marktkapitalisierung – Aktienkurs multipliziert mit der Anzahl gehandelter Aktien – ein Gewicht von knapp 18 Prozent. Der Small Cap Calida hingegen wird im SPI gerade mal mit 0,01 Prozent gewichtet. Ein Totalabsturz des Unterwäscheherstellers aus Sursee hätte also auf den SPI keinen erkennbaren Einfluss.
Erschienen in der BZ am 20. Mai 2013