Ein Vermögensberater hat mir sein Leid geklagt. Er befindet sich in einem Gewissenskonflikt. Wie die meisten Finanzmarktakteure hält er im Moment nichts von Obligationen. Denn sobald die Zinsen wieder steigen, wird der Wert eines Obligationenfonds sinken. Mit dem Kauf von Obligationen sollte man deshalb zuwarten.
Am liebsten möchte besagter Vermögensverwalter seinen Kunden empfehlen, einen Teil des Vermögens in Aktien zu investieren und einen anderen Teil auf dem Sparkonto zu parkieren. Mit dem Geld auf
dem Sparkonto sollte der Kunde erst dann Obligationenfonds kaufen, wenn die Zinsen gestiegen sind. So weit, so gut. Das Problem ist aber, dass Vermögensverwalter vom Verwaltungshonorar der
anzulegenden Gelder leben. Im konkreten Fall verlangt der Vermögensberater auf dem investierten Kapital ein Honorar von 1 Prozent. Soll nun der Experte auch auf jenem Vermögenswert ein Honorar
verlangen, welches auf dem Sparkonto liegt? Logisch wäre es. Doch welcher Kunde ist bereit, einem Finanzberater eine Verwaltungsgebühr zu bezahlen, wenn dieser das Geld risikolos auf dem
Sparkonto belässt? «Das kann ich selber auch», wird sich der Kunde sagen. «Dazu brauche ich keinen Berater.»
Im Schnitt haben die Kunden des genannten Beraters ein Vermögen von 250 000 bis 300 000 Franken anzulegen. Angenommen, er hat mit seinem Kunden eine Aktienquote von 50 Prozent vereinbart, so
verbleiben ihm zwei Möglichkeiten:
Es gibt sicher auch Geldhäuser, die ihren Kunden empfehlen, 50 Prozent in Aktien zu investieren und 50 Prozent auf dem Sparkonto zu lassen. Ich fürchte, das dürfte die Ausnahme sein.
Erschienen in der BZ am 28. Januar 2014