Lorenz Heim vom Hypothekenzentrum in Zürich hat sein Haus zu 100 Prozent mit einer Libor- Hypothek finanziert. Das will er aber nicht jedermann angeraten haben.
Herr Heim, ist es zu spät, jetzt noch langfristige Hypotheken abzuschliessen?
Lorenz Heim: Nein. Gegenüber dem absoluten Tiefstpunkt vom Dezember 2012 ist der Zins für achtjährige Festhypotheken zwar von 1.8 Prozent auf 2,3 Prozent gestiegen. Doch im Vergleich zum
Juni 2011 haben wir erst die Hälfte des Anstiegs hinter uns. Und im historischen Vergleich sind Festhypotheken immer noch sehr günstig.
Also möglichst rasch zuschlagen?
Davon rate ich ab. Das Timing ist für uns nicht massgebend. Zuerst muss der Kunde die Frage beantworten, ob er aufgrund seines Naturells und der erwarteten
Zinsentwicklung das Eigenheim mit einer Fest- oder einer Libor-Hypothek oder mit beiden Modellen finanzieren will.
Oder mit mehreren Festhypotheken unterschiedlicher Laufzeiten?
Das ist immer sinnvoll. Man kann zum Beispiel eine sechs- und eine achtjährige Festhypothek abschliessen. Und dann noch einen Teil mit einer Libor-Hypothek
finanzieren.
Ein Drittel Libor-, zwei Drittel Festhypothek? Wäre das sinnvoll?
Das ist für solche sinnvoll, die mit einer deutlichen Zinserhöhung rechnen. Ist man nicht restlos überzeugt von so einer Entwicklung, setzt man besser auf
halbe-halbe. Und wer davon ausgeht, dass die Eurokrise noch lange nicht ausgestanden ist und die Zinsen bis auf weiteres tief bleiben, kann sehr wohl zwei Drittel der Schuld mit einer
Libor-Hypothek finanzieren.
Zwei Drittel Libor? Ist das nicht zu riskant?
Die Libor-Hypothek kostet 1 Prozent; zehnjährige Festhypotheken sind für 2,6 Prozent zu haben. Da müsste der Zins der Libor-Hypothek in den nächsten zehn Jahren auf
mehr als 4,5 Prozent klettern, damit der Durchschnittszins auf über 2,6 Prozent zu stehen kommt. Ein solches Niveau erreichten Libor-Hypotheken letztmals im Mai 1995.
Und wie haben Sie Ihr Haus finanziert?
Zu 100 Prozent mit einer Libor-Hypothek. Das würde ich aber nicht jedermann empfehlen. Ich beobachte die Zinssituation täglich und kann jederzeit handeln, sofern
dies nötig sein sollte.
Bei Libor-Hypotheken wird der Zinssatz periodisch angepasst. Gängig sind Perioden von drei und sechs Monaten. Der Zins basiert auf kurzfristigen Geldmarktzinsen, eben dem Libor. Das Kürzel steht für London Interbank Offered
Rate. Es ist ein täglich neu fixierter Referenzzinssatz im Interbankengeschäft. Zu diesem Zinssatz nehmen die Banken am Markt Gelder von anderen Banken auf.
Die Zinsen für Festhypotheken haben deutlich angezogen, sind aber immer noch verhältnismässig tief. Experten sehen keinen Grund, die Situation neu zu beurteilen.
Ben Bernanke schreckte die Finanzmärkte auf: Der Chef der amerikanischen Notenbank erklärte am 19. Mai, dass das Federal Reserve die Liquiditätszufuhr zu drosseln gedenke. Diese Aussage sorgte für einen jähen Anstieg der Zinsen. Davon bleibt auch der Hypothekarmarkt in der Schweiz nicht verschont. Die Richtzinsen für Festhypotheken mit achtjähriger Laufzeit schnellten um einen halben Prozentpunkt von 1,8 auf 2,3 Prozent in die Höhe. Für Lorenz Heim, Chef des Hypothekenzentrums in Zürich, ist dies freilich kein Grund, die Eigenheimfinanzierung neu zu disponieren (siehe Interview).
Übertriebene Reaktion?
Gleicher Meinung ist Daniel Pfanner: «Die Zinsen sind im historischen Vergleich immer noch sehr tief», meint der Direktor der Bank EEK in Bern. Nun stellt sich die Frage, ob die Zinsen für langfristige Festhypotheken weiter steigen werden. Derzeit sieht es nicht danach aus. Swiss Life wundert sich in einem Kommentar, dass die Worte von Ben Bernanke für einen
derartigen Wirbel sorgten: «Wir halten den Renditeanstieg für übertrieben und erwarten einen leichten Rückgang über die nächsten drei Monate», schreibt Swiss
Life.
Draghi widerspricht Bernanke
In der Tat haben die Zinsen wieder leicht nachgegeben. Dazu hat auch Mario Draghi beigetragen: Der Chef der Europäischen Zentralbank erklärte letzte Woche, die Zinsen im Euroraum würden für längere Zeit auf dem gegenwärtigen Niveau oder sogar darunter liegen.
Dies zum Leidwesen der Banken: Daniel Pfanner von der Stadtberner Bank EEK freute sich darüber, dass die Zinsen für langfristige Hypotheken angezogen haben: «Das ist eine gesunde Entwicklung», sagt er. Daniel Pfanner geht davon aus, dass in zwei bis drei Jahren auch die kurzfristigen Zinssätze steigen dürften. Ein Anziehen der Zinssätze sei positiv für die Banken, die damit grössere Margen erzielen könnten. Sie seien aber auch positiv für Sparerinnen und Sparer: «Es ist nicht gut, wenn das Geld keinen Wert hat, wenn man also dafür keinen Zins erhält», sagt Pfanner. Heute hätten die Sparer das Nachsehen.
Erschienen in der BZ am 9. Juli 2013