Hydraulikmaschinen in Frutigen? Da denkt männiglich an die Firma Wandfluh von SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh. Kaum jemand ausserhalb des Kandertals kennt indessen die Bucher Hydraulics. Auch sie beschäftigt in Frutigen gegen 300 Personen.
Industriestandort Schweiz vor dem Ende? Steht die Schweiz vor einer Deindustrialisierung? Seit Jahren wird an Podien und auf anderen Plattformen darüber diskutiert, dass der zweite Sektor weiter an Stärke verlieren wird – und dies nicht erst seit der Eurokrise, die der Exportindustrie neben dem hohen Lohnniveau erst recht zusetzt.
200 Millionen investiert
Mit Hiobsbotschaften über das drohende Ende des Industriesektors in den Ohren, erlebt der Zürcher Maschinen- und Fahrzeugbauer die Geschichte der Bucher Industries wie schöne Musik. Er kaufte 1997 die Hydrotechnik in Frutigen mit ihren 120 Mitarbeitern. Wäre es um den Industriestandort Schweiz derart schlecht bestellt, wie das wiederholt kolportiert wird, hätte der Weltkonzern mit einem Umsatz von 2,6 Milliarden Franken wohl kaum 200 Millionen Franken in den Standort Frutigen investiert. Heute beschäftigt die Industriegruppe Bucher im Kandertal 280 Personen, wovon 24 Lehrlinge. Die Fabrik ist Teil des Geschäftsbereichs Bucher Hydraulics, der mit Produktionsstandorten und Vertriebsgesellschaften in Europa, Asien und den USA 1700 Personen beschäftigt und einen Umsatz von rund 400 Millionen Franken erzielt. «Wir machen keine Me-too-Produkte. Wir konzentrieren uns auf kundenspezifische Lösungen», erklärt Aurelio Lemos, der für die beiden Schweizer Produktionsstandorte von Bucher Hydraulics zuständig ist. Neben Frutigen werden auch in Neuheim im Kanton Zug Komponenten für Hydrauliksysteme hergestellt.
Tausendstelmillimeter
Die Frage drängt sich auf: Könnte man all die im Berner Oberland hergestellten Ventile und die anderen Hydraulikkomponenten nicht kostengünstiger in Polen, China oder Indien herstellen? «Das könnte man sehr wohl», meint Philip Mosimann, CEO von Bucher Industries, wohl kaum jedoch mit der gleichen Präzision, der gleichen Zuverlässigkeit, Flexibilität und Sicherheit. «Wir arbeiten in Frutigen auf wenige Tausendstelmillimeter genau. Alles muss sehr exakt sein. Das kann nicht jeder.» Wichtig ist laut Mosimann auch die grosse Stückzahl, die man in immer kürzeren Lieferfristen herstellen muss. Dazu brauche es eine hochkomplexe Automation, die wiederum von sehr gut ausgebildeten Leuten betrieben werden müsse. «Mit unseren Maschinen in Frutigen haben wir mehr produktive Stunden als anderswo», erklärt Mosimann. Und schliesslich verweist der CEO von Bucher Industries auf die sehr gute Arbeitsmoral, insbesondere auch im Berner Oberland: «Wenn am Freitagnachmittag in Frutigen eine Maschine stillsteht, so geht keiner heim, bevor die Maschine wieder funktioniert.»
Oberländer beraten weltweit
Die Firma Bucher muss es wissen: Sie führt Produktionsanlagen auf der ganzen Welt. Sie weiss, wie Chinesen, Inder oder Amerikaner arbeiten. Zudem ergänzt Lemos: «Wenn wir chinesische und amerikanische Firmen kaufen, können wird Arbeitsplätze in der Schweiz sichern.» Häufig reisen Experten aus dem Oberland in ferne Länder, um die Kollegen von den Schwestergesellschaften zu beraten und zu unterstützen.
Ein langjähriger Kunde, der bisher auf Bucher Hydraulics zählen konnte, wird deshalb kaum das Risiko in Kauf nehmen, die Komponenten in Fernost zu bestellen. Qualität hat ihren Preis.
1807 gründete Heinrich Bucher eine Schmiede in Niederweningen, der westlichsten Gemeinde im Kanton Zürich. 1901 stellte die Firma ihre erste hydraulische Obstpresse mit einer Hochdruckpresspumpe her. 1923 wurde im südbadischen Griessen die «Maschinenfabrik Johann Bucher» gegründet. Es folgten Übernahmen auf Übernahmen, sodass das börsenkotierte Unternehmen heute fünf Geschäftsbereiche umfasst, mit welchen es weltweit zu den Marktführern gehört:
Beim Gerede über den strukturschwachen Kanton Bern geht vergessen, dass Frutigen bei der Herstellung von hoch spezialisierten Hydraulikkomponenten eine Hochburg ist. Bekannt ist die Firma Wandfluh von SVP-Nationalrat Hansruedi Wandfluh mit 310 Beschäftigten. Bucher Hydraulics beschäftigt mit 280 Personen nur unwesentlich weniger. Beide Firmen stellen Hydraulikgeräte her – und doch treffen sie sich auf dem Markt eher selten an, wie Hansruedi Wandfluh erklärt. Die beiden Firmen haben die gleichen Wurzeln: In den Siebzigerjahren kehrten der Entwicklungs- sowie der Produktionschef von Wandfluh ihrer Firma den Rücken und gründeten die Hydrotechnik, die dann 1997 von Bucher Industries gekauft und auf Bucher Hydraulics umgetauft wurde.