Knapp eine Woche vor der IV-Debatte im Nationalrat veröffentlicht das Bundesamt für Sozialversicherungen eine Studie mit erfreulichen Resultaten. Den Gegnern der Vorlage gibt das eine willkommene Munition.
Seit bald fünf Jahren ist die 5.IV-Revision in Kraft. Sie stand unter dem Motto «Eingliederung vor Rente». Das veranlasste das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), den Erfolg der Eingliederung zu messen. Für 2011 meldeten die IV-Stellen die erfolgreiche Eingliederung von 11500 Personen, fast doppelt so viele wie 2007 mit 5800 Fällen.
Zur Erinnerung: Die 5.IV-Revision konzentrierte sich darauf, Menschen mit gesundheitlichen Problemen in der Arbeitswelt zu behalten. Dies im Unterschied zur Revision 6a, mit welcher jene Personen
ins Erwerbsleben zurückgeführt werden sollen, welche bereits eine Rente erhalten.
Die gestern publizierte Zwischenbilanz zur 5.IV-Revision ist erfreulich. Interessant ist aber der Zeitpunkt der Publikation. Ursprünglich hätte die Studie im Herbst veröffentlicht werden sollen.
Dann hiess es, die Resultate würden Anfang 2013 publiziert. Dass sie nun knapp eine Woche vor der parlamentarischen Debatte zur Revision 6b veröffentlicht werden, kann kein Zufall sein. Die
positive Zwischenbilanz mit 11500 erfolgreichen Eingliederungen gibt den Gegnern der IV-Revision 6b Argumente. 6b in kürze:
Seit einiger Zeit zeichnet sich ab, dass die Sparmassnahmen stärker wirken als prognostiziert. «Im Zuge des Kulturwandels ist die Anzahl neuer Renten seit dem Jahr 2003 um fast 50 Prozent zurückgegangen, und auch die Anzahl laufender Renten nimmt seit 2006 kontinuierlich ab», schreibt das BSV in einer Mitteilung.
Behindertenverbände und linke Parteien bekämpfen die in der Revision 6b geplanten Kürzungen von IV-Renten. Sie wollen die Resultate der Revisionen 5 und 6a abwarten, ehe weitere Sparübungen
durchgezogen werden. Die Einführung eines stufenlosen Rentensystems ist unbestritten. Die Behindertenverbände stören sich lediglich daran, dass es künftig erst ab einem IV-Grad von 80
Prozent statt wie bisher ab 70 Prozent eine volle Rente geben soll. Noch umstrittener ist die Kürzung der Zusatzrenten für Kinder. Das Referendum gegen diese Vorlage ist gewiss.
Zweiteilung der Vorlage?
Einen Ausweg sieht EVP-Nationalrätin Maya Ingold (ZH). Sie möchte die Revision zweiteilen: Zuerst soll das unbestrittene stufenlose Rentensystem verabschiedet werden. Erst wenn die Gewissheit
besteht, dass weitere Einsparungen nötig sind, soll über die Kürzung der Kinderrenten debattiert werden. Das könnte durchaus auch im Interesse von SP-Bundesrat Alain Berset sein. Womöglich
wird der Antrag Ingolds dank Bekanntwerden der genannten Studie im Rat eine Mehrheit finden.
IV-Revision 4, in Kraft seit 2004: Sie führte die Dreiviertelrente sowie einen eigenen ärztlichen Dienst ein.
IV-Revision 5, in Kraft seit 2008: Sie stand unter dem Motto «Eingliederung vor Rente» und schaffte die Zusatzrente für die Ehefrau und den Karrierezuschlag ab.
IV-Revision 6a, seit Anfang 2012 in Kraft. Sie wurde in der vergangenen Session eben erst verabschiedet. Sie will 500 Millionen Franken einsparen, namentlich mit der Eingliederung von rund 17000 IV-Rentnern.
IV-Revision 6b, noch im parlamentarischen Prozess. Sie will die Viertel-, Dreiviertelrenten und halben Renten abschaffen und stattdessen ein stufenloses Rentensystem einführen. Ausserdem ist eine Kürzung der Kinderrenten geplant; gemeint sind die Zusatzrenten, die der IV-Rentner pro Kind in Ausbildung erhält.
Erschienen in der BZ am 8. Dezember 2012