Die Ärztevereinigung FMH wirft dem Krankenkassenverband Santésuisse vor, seine Überprüfungen der Arztkosten seien untauglich. Rund 2,5 Millionen Franken müssen Ärzte wegen zu hoher Fakturierung jährlich zurückzahlen.
Eigentlich wollte Santésuisse gestern nur eine Broschüre vorstellen. In diesem 14-seitigen Prospekt wird erklärt, wie der Krankenkassenverband die Kosten der Ärzte überprüft, wie das vom Krankenversicherungsgesetz (KVG) verlangt wird. Doch kaum hatte die Medienkonferenz angefangen, meldete sich die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) via E-Mail und bezeichnete die Wirtschaftlichkeitsprüfung als «untauglich».
Mangelhafter Dialog
Schon an der Medienkonferenz selber nahm ein Ärztelobbyist in den Journalistenreihen Platz, um in ungewohnter Weise das Vorgehen des Krankenkassenverbands zu kritisieren. Womit einmal mehr die mangelnde Dialogfähigkeit zwischen Ärzten und Krankenkassen aufgezeigt sei. Keine optimale Grundlage, um die anstehenden Probleme im Gesundheitswesen zu lösen.
Für die FMH sind die Wirtschaftlichkeitsprüfungen untauglich, weil die Datengrundlage lückenhaft sei. Wenn ein Arzt leichtfertig einen Patienten ins Spital überweist, würden höhere Kosten anfallen, was im Wirtschaftlichkeitsverfahren nicht berücksichtigt werde. «Ärzte, die ihre Patienten umfassend betreuen, keine Patienten abweisen und nur wenige an Spezialärzte und Spitäler überweisen, werden von Santésuisse an den Pranger gestellt und mit horrenden Rückzahlungsforderungen unter Druck gesetzt», schreibt die FMH. Sie fordert deshalb «eine partnerschaftliche grundlegende Überarbeitung, damit die Wirtschaftlichkeit wirklich überprüft werden kann».
Santésuisse: Nein, danke
Nach Auskunft von Hanspeter Kuhn, stellvertretender Generalsekretär der FMH, bietet die Ärztevereinigung seit mindestens zehn Jahren Hand, um gemeinsam eine wirksame Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen. Doch Santésuisse habe nur dankend abgelehnt.
«Von dem weiss ich nichts», erwidert der ehemalige Santésuisse-Präsident und Ständerat Christoffel Brändli (SVP, GR), nachdem er mit diesem Vorwurf konfrontiert wurde. Und Markus Caminada, Leiter des Ressorts Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Santésuisse, meint: «Mir fehlt seitens der FMH die Akzeptanz, dass es Wirtschaftlichkeitsprüfungen überhaupt braucht.» Im Weiteren liege es in der Natur der Sache, dass man sich nicht selber überprüfen könne.
So oder so: Für Santésuisse haben die Wirtschaftlichkeitsprüfungen vor allem eine präventive Wirkung. Dies zeige sich etwa daran, dass die Kosten für Arztleistungen weniger stark anstiegen als jene für ambulante Spitalbehandlungen.
Rund 5 Prozent auffälliger Ärzte werden von Santésuisse angeschrieben. Bei 4 Prozent liessen sich die überdurchschnittlichen Kosten erklären. Somit liegt der Anteil der Ärzte, die für zu hoch fakturierte Leistungen Geld zurückzahlen müssen, bei rund 1 Prozent. Der zurückbezahlte Betrag beläuft sich auf rund 2,5 Millionen Franken. Gemessen an den in freien Arztpraxen verursachten Kosten von 6,2 Milliarden Franken sind das weniger als ein halbes Promille.
Wie werden überdurchschnittlich teure Ärzte ermittelt?