Ein vermeintlicher Kapitalgewinn kann für die Steuerbehörde eine Einmalverzinsung sein. Das heisst, Sie müssen dafür Steuern zahlen.
Eine Obligation wird zu 90 Franken herausgegeben und zu 100 Franken zurückbezahlt. Manche würden nun sagen, der Kapitalgewinn betrage 10 Franken. Irrtum: Die Kursdifferenz von 10 Franken ist kein
Kapitalgewinn, sondern eine Einmalverzinsung. Dies ist keine Wortklauberei, dies ist vielmehr eine zentrale Erkenntnis. Denn ein erzielter Kapitalgewinn ist steuerfrei, die Einmalverzinsung ist
es nicht.
Beispiel Nummer eins: Eine Obligation wird zu 100 Franken emittiert. Im Verlauf der Jahre fällt der Kurs auf 80 Franken. Wer das Papier bei 80 kauft, erfreut sich bei der
Rückzahlung von 100 Franken eines Kapitalgewinns von 20 Franken - und erst noch steuerfrei. Es handelt sich hier um eine «gewöhnliche Obligation».
Beispiel Nummer zwei: Eine Obligation wird bei einem sehr tiefen Coupon zu 80 herausgegeben. Im Verlauf der Jahre fällt der Kurs auf 70 Franken. Wer das Papier zu diesem
Zeitpunkt kauft, erzielt bei der Rückzahlung von 100 Franken einen Kapitalgewinn von 10 und eine Einmalverzinsung von 20 Franken. Der Kapitalgewinn ist steuerfrei, die Einmalverzinsung nicht. Es
handelt sich hier um eine «Diskontobligation».
Aus steuerlicher Sicht sind Obligationen somit in zwei Fällen interessant: bei steigendem Zinsniveau oder fallender Bonität.
«Gewöhnliche Oblis» und «Diskontoblis»: Für die Steuerbehörden ein wesentlicher Unterschied
Wird eine Obligation zu pari herausgegeben und zurückbezahlt, spricht der Steuergesetzgeber von einer «gewöhnlichen Obligation». Die Steuerfolgen sind klar: Der periodische Zins ist als Einkommen
zu versteuern, der Kapitalgewinn ist steuerfrei. Das Gleiche kennt man bei den Aktien, nur heissen dort die Zinsen Dividenden.
Manchmal wird der Obligationär nicht mit einem periodischen Zins entschädigt, sondern mit einem einmaligen Vermögensertrag. Die klassische Version dieser Variante nennt man Zerobond oder «reine
Diskontobligation». Beispiel: Die Obligation wird zu 50 Franken emittiert und zu 100 zurückbezahlt. Einen Zinscoupon gibt es nicht, dafür eine sogenannte Einmalverzinsung von 50 Franken. Sie ist
als Einkommen zu versteuern.
Mischformen: Steuerrechtlich kann es hier ganz schön kompliziert werden
Schliesslich gibts auch Mischformen. Zum Beispiel wenn die Anleihe einen periodischen Zins ausschüttet und erst noch unter pari emittiert wird. Der Ertrag setzt sich somit aus einem periodischen
Entgelt und einer Einmalentschädigung zusammen. Bei solchen Diskontobligationen sind die Steuerfolgen schon komplizierter. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil das Steuerrecht zwischen zwei
Arten unterscheidet. Und zwar nicht etwa zwischen reinen und gemischten Diskontobligationen, sondern zwischen Diskontobligationen mit und Diskontobligationen ohne überwiegender Einmalverzinsung.
Die beiden haben unterschiedliche Steuerfolgen.
Auf die globalverzinsliche Obligation, welche zum Nennwert emittiert und über pari zurückbezahlt wird, sei hier nicht eingegangen. Die Steuerfolgen sind analog der Diskontobligation.
Liegt eine überwiegende Einmalverzinsung vor, so ist die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs immer als Einkommen zu versteuern. Handelt es sich jedoch um eine Diskontobligation ohne
überwiegende Einmalverzinsung, so ist die Einmalverzinsung erst beim Verfall zu versteuern. Frei nach dem Motto: Den Letzten beissen die Hunde.
Beispiel: Eine zehnjährige Obligation wird zu 90 herausgegeben und zu 100 zurückbezahlt, dafür aber zu einem Coupon von 3 Prozent verzinst. Die Couponszahlungen übersteigen den einmaligen
Vermögensertrag, es handelt sich demnach nicht um eine «überwiegende Einmalverzinsung». Wird nun das Papier vor Verfall zu einem Kurs von - zum Beispiel - 98 Franken verkauft, so ist der
stattliche Vermögensgewinn in der Tat steuerfrei. Bleibt das Papier hingegen bis zum Verfall im Depot, so ist der Kapitalgewinn als Einkommen zu versteuern. Fazit: Sorgen Sie unbedingt dafür,
solche «Den-Letzten-beissen-die-Hunde»-Bonds vor Verfall zu verkaufen. Das Brutale an diesem Papier: Beim Verfall versteuert man nicht nur den selber erzielten Kursgewinn, sondern auch noch die
Einmalverzinsung der vorherigen Inhaber.
Wie man trotz Kapitalverlust einen «Vermögensgewinn» erzielt - und versteuern muss
Im Extremfall könnte es vorkommen, dass ein Investor eine laufende hochverzinsliche Obligation zu einem Kurs von über 100 Franken ersteht. Nicht wissend, dass das Papier vor vielen Jahren während einer Hochzinsphase zu 90 emittiert wurde, müsste besagter Investor bei der Rückzahlung die Differenz zwischen 90 und 100 als Vermögensgewinn versteuern, obschon in Wirklichkeit ein Kapitalverlust erzielt und das Papier einzig wegen des hohen Coupons gekauft wurde - welcher nota bene ebenfalls als Einkommen zu versteuern war.
Angenommen, eine Obligation wird zu 99 herausgegeben und zu 100 Prozent zurückgezahlt. Muss dieses eine Prozent als Einmalverzinsung versteuert werden? Laut Franco Gennari von der Eidgenössischen Steuerverwaltung ist dies tatsächlich der Fall. Die Frage ist allerdings, ob die Veranlagungsbehörden der Kantone den Vorgaben aus Bern auch Folge leisten und die geringe Differenz aufrechnen. Stefan Bouclainville, Portfolio-Manager bei der Bank Leu in Zürich, bezweifelt dies. Nach seinen Beobachtungen werden bescheidene Einmalverzinsungen nicht jedesmal versteuert - sei es wegen des unverhältnismässigen Zeitaufwandes oder in Unkenntnis der komplizierten Rechtslage.
Diskontobligationen werden unter pari emittiert. Die Rückzahlung erfolgt zum Nennwert. Wir haben ein Emissionsdisagio.
Global verzinsliche Obligationen werden zum Nennwert emittiert, und die Rückzahlung erfolgt über pari. Wir haben hier ein Rückzahlungsagio.
Eine Obligation ist dann überwiegend einmalverzinslich, wenn die Couponrendite weniger als die Hälfte der Rendite auf Verfall ausmacht. Dabei ist immer der Emissionszeitpunkt
massgeblich.
Zerobonds gewähren dem Investor keine periodische Zinsvergütungen, vielmehr wird das gesamte Nutzungsentgelt ausschliesslich als Einmalentschädigung bei Rückzahlung der
Obligation vergütet. Sie werden auch reine Diskontobligationen genannt.
Zwei Beispiele mit gleichen Renditen aber verschiedenen Steuerfolgen:
Wer eine laufende Anleihe über die Börse kauft, beachtet den Kurs, das Verfalldatum, den Zins und die Schuldnerbonität, damit hat es sich. In der Regel wird es aber niemandem in den Sinn kommen,
sich nach dem Emissionspreis zu erkundigen. VALUE empfiehlt Ihnen allerdings, dies nicht zu vergessen: Klären Sie beim Kauf einer börsenkotierten Anleihe ab, wie hoch der Emissionskurs war, und
zwar auch dann, wenn die Emission schon viele Jahre zurückliegt.
Lag damals der Kurs deutlich unter pari, so ist höchste Vorsicht geboten. Solche Obligationen müssen vor Verfall wieder verkauft werden, sonst folgt bei der ersten Steuerrechnung das böse
Erwachen. Bei «Den-Letzten- beissen-die-Hunde»-Bonds ist die Differenz zwischen dem Ausgabe- und dem Rücknahmepreis als Einkommen zu versteuern.
Liegt der Emissionskurs sogar massiv unter pari, liegt unter Umständen eine Obligation mit überwiegender Einmalverzinsung vor. Hier wird nicht nur der Letzte von den Hunden gebissen, sondern es
trifft alle Obligationäre, die einen Kursgewinn erzielen.
Daraus ergeben sich vier Steuertipps:
Erschienen im CASH-Value am 22. Februar 2002